Vier Fragen an Dr. Heinz Dwuletzki.

CARL. Wenn Sie auf die letzen Jahre zurückblicken, welche Produktent­wicklung war für Sie ein bedeutender Meilenstein?
Neben verschiedenen anderen Produkt­entwicklungen, wie z. B. im Bereich konsistenter Schmierstoffe, ist das unser wasserbasierter, mineralölfreier Kühl­schmierstoff Berufluid, den wir gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut IVV und dem IWF Braunschweig entwickelt haben. Faszinierend ist, dass das oft auch „dickes Wasser“ genannte Prozessfluid – weil es auf die verschiedenen Viskositäten von Öl eingestellt werden konnte – Mineralöl als Kühlschmierstoff ersetzen kann. Diese Produktkonzeption hat den Charme, in vielfältigen anderen Applikationen einsetzbar zu sein.

CARL. Bei der Vermarktung dieses Produktes hat BECHEM oft auf die Verteuerung von Mineralöl hinge­wiesen. Gegenwärtig ist dieser Markt vom Preisverfall gekennzeichnet – man beachte das Spritpreisniveau und die Absatzprobleme von Kunststoffre­cyclingunternehmen. Wirkt BECHEM nun unglaubwürdig? Bekommt die Entwicklung von mineralölfreien nachhaltigen Produkten und Tech­nologien einen Dämpfer?
Ja, einen Dämpfer schon, denn der Markt wird aus verschiedenen Gründen mit billigem Öl überschwemmt. Mineralöl ist dennoch definitiv ein endliches, knappes Gut. Die zunehmend schwierigere Förderung wird hohe externe Kosten, wie z. B. Umweltschäden, verursachen. Nachhaltige Alternativen zu Mineralöl bleiben die Zukunft. Das Streben der Industrie und gesetzliche Auflagen hinsichtlich energie- und rohstoffeffizienter Fertigung sowie strengere Emissions­grenzen für Automobile und deren Fertigung werden nachhaltige Tech­nologien fördern und fordern.

CARL. Die Umsetzung von Innovationen dauert oft sehr lange – man denke hierbei beispielsweise an Dieselmo­toren für PKW oder stromlinienförmige Karosserien. Wie sieht das bei Kühl­schmierstoffen aus?
Bei Prozessmedien verhält es sich ähnlich. Das Konzept ist vorhanden, der Schritt zur echten Innovation, d. h. zur breiten Markteinführung dauert wegen der Komplexität und Verschiedenartigkeit der maschinellen Bearbeitungsprozesse und der vielen unterschiedlichen Werkstoffe ebenfalls Jahre bis Jahrzehnte. Oft geben die ersten Entwicklungsergebnisse nur den Anstoß für entscheidende Weiterent­wicklungen bzw. sind Initialzündung für neue und andere umweltfreundlichere Produktionskonzepte.

CARL. Hat das „dicke Wasser“ Impulse gegeben?
Sicher. Es hat über technische Anwen­dungs­­lösungen hinaus viele wichtige Denkanstöße für neue nachhaltige und energieeffiziente Fertigungskonzepte gegeben. Ein gutes Beispiel ist z. B. ein Projekt, bei dem das wasserbasierte, mineralölfreie Prozessmedium, hoch­effizient zugleich als Hydraulikfluid, zur Maschinenschmierung und als Kühl­schmierstoff eingesetzt wird (vgl. Bericht S. 49 – BECHEM als Projektpartner bei der Woche der Umwelt).


Leiter F&E der BECHEM
Unter­nehmens­gruppe
Dr. Heinz Dwuletzki