Vier Fragen an Thomas Brexeler.
Carl. Auf dem letzten International Automotive Meeting in Berlin konnten Sie die Teilnehmer erneut mit einem interessanten Veranstaltungsprogramm beeindrucken. Warum war eine große deutsche Bank dabei?
BECHEM macht noch keine Geldgeschäfte (lacht). Große Banken setzen sich, da sie genauso von der Entwicklung wichtiger Schlüsselmärkte abhängig sind wie BECHEM, mit deren Marktperspektiven auseinander. Der Vortrag „Zukünftige
Technologien und Herausforderungen in der Automotive-Industrie“ eines hochkarätigen Expertenteams der Deutschen Bank passte perfekt in unser Konzept und bereicherte den strategischen Part der Veranstaltung.
Carl. Es ging also auch um Elektromobilität und autonomes Fahren. Sehen Sie hier schon bald gravierende Änderungen auf uns zukommen?
Wenn Sie sich den Beitrag zum Autonomen Fahren ansehen, dann bemerken Sie, wie gespalten die Meinungen noch sind und welche Unsicherheit herrscht. Gleichzeitig gibt es in der Automotive-Branche, genauer in der IT-Branche, mit Incar-Computern derartig große Fortschritte, dass hier schneller große Veränderungen zu erwarten sind. Die 30-Jahre-Schätzung betrachte ich auch als zu pessimistisch. Die Fahrzeuge werden unter Umständen schneller so weit sein als die Gesellschaft. Aber man merkt schon jetzt bei der jüngeren Generation, also bei den sogenannten Digital Natives, einen mehr oder weniger stark ausgeprägten Einstellungswandel. Manche Fahranfänger wollen unbedingt noch auf dem Schaltwagen das Fahren beherrschen, andere warten schon gespannt auf getriebelose, selbstfahrende Elektrofahrzeuge. Diese „Fahrer“ schauen dann vielleicht auch lieber auf das Smartphone oder das Tablet als auf die Straße.
Carl. Apropos E-Autos. Wann, meinen Sie, macht die Elektromobilität große Fortschritte? Die Fördermaßnahmen greifen noch nicht. Von einer E-Quote wird immer häufiger gesprochen.
Der Veränderungsdruck wächst in der Branche – durch die Politik wie auch durch den Einstellungswandel in Richtung grüne Technologien in der Gesellschaft. Die EU-Kommission hat mit Blick auf die Stickoxidbelastung durch Dieselfahrzeuge Vertragsverletzungsverfahren wegen Grenzwertüberschreitungen in mehreren deutschen Städten eingeleitet. Staaten mit enormem Motorisierungs- und Marktpotenzial wie China führen E-Quoten ein. Der Diesel gerät damit sehr unter Druck, obgleich er mit Blick auf den Ressourcenverbrauch und die CO2-Thematik ganz anders dasteht. Die jüngsten Ereignisse werden sicher der Entwicklung hin zu neuen Antriebskonzepten und der Marktdurchdringung einen deutlichen Schub geben.
Carl. Bereitet Ihnen die Umstellung Sorgen?
Commodities wie konventionelles Motoröl und Getriebeöl, das bei diesem Umstellungsprozess zunehmend weniger nachgefragt wird, sind kein BECHEM
Geschäftsfeld. Bestimmte Automotive-Anwendungen, z. B. in den Bereichen Starter oder Antrieb, werden komplett entfallen. Sie werden aber durch andere neue Anwendungen ersetzt. Die Spezialschmierstoffe, die BECHEM für den Interior- und Karosseriebereich von Autos mit Verbrennungsmotor in allen Fahrzeugklassen liefert, werden auch im elektrisch betriebenen Fahrzeug eingesetzt. Eventuell sogar dann noch mehr, wenn wesentlich mehr Störgeräusche bei insgesamt geringerer Geräuschkulisse wahrnehmbar sind. Aber auch hier werden einige mechanische Komponenten wie mechanische Schalter durch wartungsfreie Touchscreen-Schaltflächen ersetzt werden. BECHEM musste sich seit 1834 mehrfach neu erfinden und sich immer wieder gravierenden Veränderungen anpassen. Unsere Business Unit Performance Fluids, u. a. mit Kühlschmierstoffen für die Metallbearbeitung, wird höheren Anpassungsdruck spüren. Die ganze Zulieferbranche wird sich auf mehr Veränderungen einstellen müssen. Beim Ersatz konventioneller Verbrenner
durch Fahrzeuge mit Elektroantrieb reduziert sich die Anzahl der Motorteile
grob von ca. 2.000 auf 200 Komponenten. Entsprechend geringer wird die Nachfrage nach klassischer Zerspanung ausfallen. Dem gegenüber liegen wieder große Wachstumspotenziale beim Elektroantrieb hinsichtlich Drahtprodukten, also die Nachfrage nach leistungsstarken Drahtzugmedien und auch Umformmedien.
Thomas Brexeler,
Director Special Lubricants
