Die Helden der Stille.

Der Markt für Elektrofahrzeuge gewinnt an Fahrt und wirft viele Fragestellungen auf. Neben den Themen Ladeinfrastruktur, Batterietechnologie und deren Verfügbarkeit, Ladetechnik und E-Motor gibt es für Entwickler und Hersteller noch eine weitere Herausforderung, die Stille.

Nicht nur der Wegfall des Verbrennungsmotors mit seinen typischen Geräuschen, sondern auch  verschiedene Geräuschdämpfungsmaßnahmen wie die Reduktion von Wind- und Abrollgeräuschen sorgen neben der starken, unmittelbar abrufbaren Beschleunigung im Elektrofahrzeug für ein ganz anderes Fahrerlebnis mit extrem geringer Geräuschkulisse. Möglich machen das Maßnahmen wie der Einsatz spezieller Akustikfolien bei der Herstellung von Windschutzscheiben, der Verbau von Dämmfolien und -stoffen in der Karosserie oder der Ersatz von Außenspiegeln durch Kamerasysteme, die nicht dem Fahrtwind ausgesetzt sind.

Das Ergebnis: bei dem tieferen Geräuschniveau im batterieelektrischen Fahrzeug, in vielen Fahrsituationen wahrhaftig Stille, stören Knarz- und Quietschgeräusche stärker als zuvor. Gegebenenfalls werden die durch Vibrationen oder Stick-Slip-Effekte ausgelösten Geräusche erstmals wahrgenommen. Auch gewöhnliche Funktionsgeräusche von Blinkeinrichtungen, Relais, Stellmotoren, Aktuatoren sowie Betätigungsgeräusche von manuellen und elektrischen Verstellmechanismen in Sitz- und Türmodulen können bei geringerem Lautstärkepegel stören, wenn sie nicht mit dem Qualitätsprofil des Fahrzeugs und seinem Akustikdesign harmonieren. Teilweise blechern klingende Rastnocken und Federn in Rastmechanismen wie auch die Geräusche von Sitzschienensystemen und in Stellmotoren geraten in das Blickfeld von Konstruktionsabteilungen.

Sogenannte Acoustic Vehicle Alert Systeme, Geräuscherzeuger in Elektromobilen, die in Europa bis Tempo 20 km/h Fußgänger im Straßenverkehr vor den herannahenden Fahrzeugen warnen sollen, werden Störgeräusche nur partiell (bis Tempo 20 km/h) überlagern. Soundprogramme, die Motorgeräusche oder synthetische Antriebsgeräusche „vorspielen“, wie sie teilweise von Sportwagenherstellern in Erwägung gezogen werden, können vom Nutzer abgestellt werden. Sehr wahrscheinlich wird das häufig eintreten, um die „E-Stille“ zu testen oder sie anderen Interessenten vorzuführen. Die Stille bleibt somit eine wichtige konstruktive Rahmenbedingung und die Bedeutung von Spezialschmierstoffen nimmt zu, im After-Sales-Bereich bei der Geräuschbekämpfung wie auch  als Bestandteil der Konstruktion. Je nach Anforderungsprofil tragen sie als alterungsbeständige Lebensdauerschmierung zur geräuscharmen Funktionstüchtigkeit verschiedenster Bauteile und Baugruppen bei. Durch gezielte Schwingungsdämpfung und Reibwertoptimierung ermöglichen sie langfristig reproduzierbare Abläufe in verschiedenen Komponenten und unterstützen Funktionalität, Akustik und Haptik. In manuell und elektrisch betriebenen Hub- und Stellantrieben, Seilzugsystemen und offenen Zahnsegmenten von Innenraumkomponenten oder Türmodulen ermöglichen sie durch gute Oberflächenhaftung sehr guten Dämpfungseigenschaften und niedrige Anlaufmomente auch bei tiefen Temperaturen.

Prüfstand von Einzelfunktionen von Sitzmodulen

BECHEM hat eine lange Tradition im Bereich Störgeräuschbeseitigung und -dämpfung in Automobilen. Als erstes Unternehmen hat BECHEM im Jahr 2000 einen Systemkoffer vorgestellt, der einen kleinen Querschnitt des heutigen Programms vieler Geräuschdämpfungsanwendungen repräsentiert. Mit dem Koffer wurden damals die Produktlösungen den Entwicklungsabteilungen in der Automobilindustrie präsentiert. Ziel war es, Bestandteil der Konstruktion zu werden, denn „nachträgliche und damit zumeist teure Lösungen für eine bestehende Konstruktion gilt es zu vermeiden“, sagt Thomas Mießner, Anwendungsingenieur in der Business Unit Spezialschmierstoffe bei BECHEM und ergänzt „nahezu 70 % der Reklamationen in der Gewährleistung beziehen sich zumindest teilweise auf Störgeräusche im Fahrzeuginnenraum. Durch Elektromobile wird das Problem verschärft“.

Heute gehören neben den eigentlichen Schmierstoffen, Pasten und Dispersionen längst auch Beschichtungen dazu. Diese Anti-Friction Coatings, auch Gleitlacke genannt, sind dem heutigen „Geräuschdämpfungskoffer“ als eine Auswahl beschichteter Materialzuschnitte beigefügt. Die Metall-, Polymer- und Kautschukstreifen machen das große Problemlösungspotenzial im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar. „Die vielfältigen Applikationsmöglichkeiten von Gleitlacken sind manchem Entwickler und Zulieferer in ihrer Gänze noch nicht bekannt. Die grifftrockene Schmierstofflösung birgt sehr großes Problemlösungspotenzial“, sagt Thomas Mießner.

Messung der Knarzneigung beschichteter Materialien imklimatisierten Stick-Slip-Prüfstand. Jegliche Störgeräusche,mögen sie noch so leise oder kurz auftreten, stellen für viele Entwickler eine Herausforderung dar. Besonders bei Elektrofahrzeugen mit deutlich geringerer Geräuschkulisse.

BECHEM hat seine Schmierstoffe stetig weiterentwickelt. Heute haben sie einen ganz anderen Stellenwert. Schon zum zweiten Mal (2014 und 2018) wurde BECHEM mit dem Brose Innovation Award ausgezeichnet, weil Produkte maßgeblich zur Verbesserung von Funktion und Lebensdauer in Schließanlagen und Türmodulen beitragen. Neben neuartigen Schmierstoffkonzepten bietet BECHEM hochspezielle Formulierungen, die höchste Verträglichkeit mit den sich immer weiter entwickelnden Materialien und Werkstoffkombinationen aufweisen.

Messung der Geräuschklasse von Schmierfetten nach SKFBe-quiet-Standard. Wirksame Schmierstoffsysteme könnendurch ihren Aufbau Geräusche mindern, Teile und Gewichteinsparen, beispielsweise durch Verringerung der Wandstärke von Gehäusen.