Das größte Potential steckt in der Prozess­optimierung.

Bevor in der Massivumformung aus einem Vorprodukt – in der Fachsprache auch Halbzeug genannt – ein Fertigprodukt hergestellt wird, wie z. B. eine Schraube, bringt man auf dem Draht eine Beschichtung aus Zink­phosphat auf. Dieses Phosphatierung genannte Verfahren, das die Massen­fertigung in der Kaltmassivumformung erst ermöglichte, ist schon alt, aber immer noch Stand der Technik. Wegen seines hohen Energie- und Chemi­kalieneinsatzes steht es in der Kritik. Ein BECHEM Produkt zeigt völlig neue Wege auf.

Heute und in Zukunft sind Drahter­zeugnisse wichtige industrielle Vorprodukte, die beispielsweise im Automotive Sektor mit seinen Zuliefer­betrieben, im Maschinenbau wie auch in der Elektro- und Bauindustrie breite Anwendung finden. Durch die Kaltmassivumformung werden aus den Stahlhalbzeugen einsatzfertige Bauteile. Hierunter versteht man das Umformen in ein- oder mehrstufigen Prozessen ohne Vorwärmen des Stahlhalbzeuges. Zwischen Werkzeug und Werkstück treten hierbei hohe Relativ­­geschwindig­keiten, hohe Flächenpressungen und erhebliche Ober­flächen­vergrößerungen auf. Bei der Verformung erhitzt sich der Draht auf bis zu 500 °C.

Diese Randbedingungen erfordern in der Kaltmassivumformung sehr aufwändige Schmiersysteme, die den direkten metallischen Kontakt zwischen Werkzeug und Werkstück und damit deren Verschleiß sowie den der Umform­maschine reduzieren sollen. Fritz Singer hat hierfür in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts das von ihm entwickelte Phosphatierungs­verfahren patentieren lassen. Nach dem zweiten Weltkrieg hat es sich in der Industrie weltweit etabliert. Seitdem ist es immer noch Stand der Technik. Erst dieses Verfahren hat die kostengünstige Kalt­massiv­um­formung und deren Nutzung für die Massenfertigung von Kaltformteilen für die Industrie ermöglicht. Hierbei wird eine Schmier­mittel­träger­schicht aufgebracht (Zinkphosphat), die das eigentliche Schmiermittel am Werkstück fixiert.


Produktreihe Beruforge 150 – Das alternative Beschichtungssystem zur Zinkphosphatierung sorgt für Ressourcen- und Prozesseffizienz –Schraubenrohlinge bei SPAX International.

Aus heutiger Sicht erweist sich die Phosphatierung jedoch als sehr nachteilhaft, weil die Aufbringung der einzelnen Schichten viel Energie und große Mengen Chemikalien erfordert. Nach Gebrauch ist die Chemie, darunter große Mengen Phosphatschlamm, fachgerecht zu entsorgen. Die entsprechende Anlagentechnik und deren Gebrauch unterliegen strengen behördlichen Verordnungen mit regelmäßigen Kontrollen durch die Umwelt­behörden.

Globaler Wettbewerbs- und Kostendruck sowie Anforderungen hinsichtlich des Umweltschutzes verlangen zunehmend alternative energie- und rohstoffeffiziente, industrielle Fertigungsprozesse. Besonders die Verwendung einer Phosphatschicht als Konversions­schicht auf Halbzeugen wird vor diesem Hintergrund in Frage gestellt.


Für eine innovative und ressourcen­schonende Beschichtung in der Kaltmassivumformung wurde BECHEM der Effizienz-Preis NRW 2015 verliehen.

Hohe Anforderungen an eine Alternative.
Der Ersatz der Phosphatierungs­schichten ist nicht unkompliziert. Die Prozess­anforderungen sind hoch. Ein alternatives System muss neben einer guten Trennung von Werk- und Halbzeug auch eine Beständigkeit bei Oberflächenver­größerungen von bis zu 80 % gewähr­leisten. Gute Notlaufeigenschaften und ein hohes Lasttragevermögen gehören zum weiteren Anforderungsprofil. Zur Praxistauglichkeit gehört, dass sich die alternativ beschichteten Halbzeuge mit den vorhandenen Presstechniken verarbeiten lassen und der Schmierstoff von den umgeformten Teilen leicht entfernt werden kann. Ein Wechsel zu einem derart phosphatbeschichtungsfreien System hat ein hohes ökonomisches und ökologi­sches Potenzial.

BECHEM hat im Rahmen eines Verbund­­projektes mehrere Schmierstoffsysteme nach diesen Kriterien getestet. Am Projektende stand schließlich eine neu­artige Produktreihe, die nach Aussagen der Entwickler allen bisherigen phosphat­freien Systemen überlegen ist. Die Produktreihe Beruforge 150 ermöglicht erstmals einen vollständigen Verzicht auf phosphathaltige Verbindungen auf Drahthalbzeugen, auch für komplexe Umformoperationen. Die Dispersion eignet sich für den Einsatz auf allen nicht phosphatierten Draht­ober­flächen- und güten sowie auf rostfreiem Stahl und Aluminium und besticht durch einfache Anwendung.


Holger und Bernd Falz, Geschäftsführer von Max W. Claas: „Wir beschichten auch 14 mm Drähte mit Beruforge.“

Auch Drahthersteller und End­anwender können Positives berichten. In einer Diskussionsrunde im Hause BECHEM tauschten sich Drahtverarbeiter und Drahthersteller mit BECHEM aus. Der Projektpartner und Hersteller von Präzisions­kalt­form­teilen, Schrauben Betzer aus Lüdenscheid, hat demnach aufgrund seiner guten Erfahrungen bereits große Teile seiner Fertigung, insbesondere die kleiner Schraubendurchmesser, auf phosphatfrei beschichteten Draht umgestellt. Das aufwändige Entfernen der Zinkphosphatschicht mit den damit verbundenen Kosten fällt weg. Positive Rückmeldungen kamen auch von den Draht­herstellern Max W. Claas und Brüninghaus Draht aus Altena.

Laut Aussagen der Schmierstoff­experten kommt es durch den Wechsel vom herkömmlichen Mehr­schicht­ver­fahren zum Einschichtverfahren zu einem deutlich geringeren Feststoffeintrag beim Umformprozess mit der Folge einer stark verbesserten Sauberkeit in der Maschine. „Die stark reduzierte Verschmutzung des Umformöls bewirkt neben einer Standzeiterhöhung des Öls auch eine deutliche Erhöhung der Standzeit der Umformwerkzeuge“, erläutert Dr. Jens Ostrowski, Leiter F+E im Bereich Öl/Umformtechnik und ergänzt: „In der Praxis sind Erhöhungen der Werkzeug­stand­zeiten größer 20 % realisierbar“. Diese Angaben bestätigt auch der Maschinen­her­steller und Entwicklungs­partner Jankowski aus Horhausen.

Die Ausmaße dieser bahnbrechenden Technologie deuten auf weitreichende Veränderungen hin.

Die Produkte sind mittlerweile in verschie­denen Industrie­anwendungen mit großem Erfolg im Einsatz, ob in der Walzdraht­produktion oder bei der Herstellung von Schrauben, Bolzen und anderen Kaltformteilen. Hier zeigt sich auch die Flexibilität hinsichtlich der Applizierung. Das neue Medium kann durch Einzelteilbeschichtung, beispielsweise einzelner Draht­abschnitte oder aber durch Tauchen kompletter Walzdraht-Coils wie auch beim Ziehen von Kaltstauchdrähten aufgetragen werden. Im Drahtzugbereich wird der geglühte Draht mit dem Schmierstoff schlussgezogen. Die spezielle Mischung organischer und anorganischer Bestandteile bewirkt einen ausgezeichneten Korrosions­schutz, der lange Lagerzeiten ohne Qualitätseinbußen ermöglicht. Aber es geht auch ohne Zwischenlagerung. „Erstmals ist auch eine sogenannte Inline-Fertigung prozesssicher vorstellbar“, so Dr. Jens Ostrowski. Hierbei wird unbehandeltes Halbzeug mechanisch gesäubert und im Anschluss an einen Kalibrierzug unter Verwendung des neuen Beruforge 150 -­Beschichtungs­systems in den Umformprozess geführt. Nach der Umformung lassen sich die Schmiermit­telreste problemlos entfernen.

Hiermit ist in vielen Fällen auch eine erhebliche Reduzierung deklarierungs­pflichtiger Ent­sorgungs­kosten verbunden. Betrachtet man das große Marktvolumen von Stahl­draht­halbzeugen in den verschiedenen Branchen und die Bestrebungen der Industrie hinsichtlich Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz wird das enorme Marktpotenzial deutlich. Was die Einsatzmöglichkeiten dieses Schmierstoffs in der Umformtechnik betrifft, steht man noch am Anfang. Die Dimensionen dieser neuen Technologie sind aber schon jetzt klar erkennbar und weisen auf mögliche große Veränderungen nicht nur in der Technik der Drahtherstellung hin.


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