Allmählich treten sie häufiger im Straßenbild in Erscheinung. Manchmal erschrecken sich Fußgänger beim Überqueren der Straße, wenn sie sich mit geringem Tempo und kaum wahrnehmbaren Abrollgeräuschen nähern: Elektrofahrzeuge wie BMW i3, Nissan Leaf, Renault ZOE und Tesla Model S oder im elektrischen Betrieb befindliche Hybridfahrzeuge. Benötigen diese Fahrzeuge andere Schmierstoffkonzepte?

Neue Fahrzeugkonzepte mit alten und neuen Schmierstoffanwendungen.

Oft sind die Fahrzeuge Bestandteil eines Firmenfuhrparks: ob als Imagemaßnahme, für Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen oder aus Überzeugung. Wer schon einen rein elektrisch betriebenen Pkw gelenkt hat, bekommt einen völlig anderen Fahreindruck als bei der Fahrt mit einem Verbrennungsmotor. Die starke Beschleunigung ohne Schaltunterbrechungen, das unmittelbar bei Fahrtantritt hohe Drehmoment und die angenehm geringe Geräuschkulisse beeindrucken.

Dieses Marktsegment wird wachsen. Wie schnell, hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter Preisentwicklung, Reichweite, Ladeinfrastruktur, Ladedauer, und nicht zuletzt auch von psychologischen Aspekten des Kaufverhaltens wie zum Beispiel der Reichweitenangst. Mit den neuesten Modellen, deren Reichweite bis zu 400 Kilometer und teilweise weit mehr beträgt, gehört dieses Thema nicht mehr zu den Kernproblemen. Gleich, wie sich in Europa das Ladenetz und das Angebot von Schnelllademöglichkeiten entwickeln werden: Zu erwarten ist, dass der Nachfragetreiber von BEV- Fahrzeugen die VR China, der weltweit wichtigste Automobilmarkt, sein wird.

Verlangen neue Fahrzeugkonzepte auch neue Schmierstoffkonzepte? Bei Hybridantrieben wird weiterhin ein Verbrennungsmotor zum Einsatz kommen. Betrachtet man zunächst die verbauten Schmierstoffe und die Betriebsmittel, bleibt die Schmierstofftechnologie nahezu unverändert.

In bestimmten Fällen können Wechselwirkungen
zwischen den verschiedenen Antriebsarten besondere Anforderungen an die Schmierung stellen. Ein leichter Mengenrückgang, beispielsweise beim Motoröl, kann durch Downsizingeffekte, also bei Fahrzeugen mit geringerem Hubraum und kompakteren Motorbauweisen, auftreten. Im Bereich der Mechanik werden Schmierstoffe unverändert zum Einsatz kommen. Spezielle Gleitlackbeschichtungen bleiben ebenfalls ein sehr wichtiges Anwendungsfeld.

Diese Spezialbeschichtungen, zum Beispiel auf dem Motorkolben, tragen zur Optimierung des Laufverhaltens und zur Bewältigung extremer Betriebszustände, wie sie für den Verbrennungsmotor typisch sind, bei. Mit kleineren Bauteildimensionen bei Hybridantrieben kommen stärkere Belastungen auf die Kolbengruppe zu. Damit wird auch die Bedeutung von Gleitlacken weiter ansteigen.

Betrachtet man den reinen „Stromer“, das batterieelektrische Fahrzeug*, verbleiben neben der Lagerschmierung des Elektromotors viele mechanische Komponenten, beispielsweise im Fahrwerk, die zu schmieren sind. Die zahlreichen Spezialschmierstoffe, die BECHEM für den konventionellen Interior- und Karosseriebereich liefert, werden auch im elektrisch betriebenen Fahrzeug zum Einsatz kommen. Allerdings  erden auch Anwendungsfelder entfallen – wie in den Bereichen Starter und Antrieb. Zudem werden Touchscreenschaltflächen teilweise mechanische Schalter ersetzen. Demgegenüber ist ein Wachstum von im Innenraum verbauten Stellantrieben zu erwarten, weil Komfortanwendungen, die zunächst in der Oberklasse angewendet wurden, Zug um Zug weitere Fahrzeugklassen durchdringen.

*Auf Brennstoffzellenfahrzeuge, die durch ein chemisches Verfahren elektrische Energie aus getanktem Wasserstoff für ihren Elektromotor erzeugen, wird in diesem Beitrag nicht eingegangen.

An Bedeutung zunehmen werden Anti-Friction-Coatings, Fluide und Pasten für Geräuschdämpfungsanwendungen.

Aufgrund der deutlich geringeren Geräuschentwicklung durch Elektromotoren fallen Störgeräusche, die aufgrund von Vibrationen oder Stick-Slip, beispielsweise durch Verwindungen der Karosserie, entstehen, stärker auf und müssen für ein Autoleben mit materialverträglichen Geräuschdämpfungsmedien behandelt werden. Des Weiteren sind spezielle Beschichtungen denkbar, das heißt spezielle Gleitlackprodukte. Diese könnten beispielsweise als Lackbeschichtung auf dem gewickelten Draht des Elektromotors eingesetzt werden mit der Aufgabe, Wärme abzuführen. Ebenso sind diese Produkte im Bereich Steck- und Kupplungssysteme zur Herabsetzung von Reibwerten denkbar. Nicht zuletzt kommen auch spezielle Dispersionen auf den eigentlichen Steckkontakten infrage.

Weitere schmierstofftechnische Fragestellungen ergeben sich erst aus der Hochvolttechnologie von Elektromobilen. Bei den Automobilentwicklern gelangen immer mehr 48- Volt-Bordnetze zur Spannungsversorgung in den Fokus, da sich mit ihnen zunehmend auch die Zahl elektrischer Verbraucher erhöht, die in einem Fahrzeug betrieben werden können.Die geringeren Kabelquerschnitte, die dies erst ermöglichen, sorgen wie kleinere Bauteilabmessungen für ein reduziertes Fahrzeuggewicht. Experten stellen weitere Vorteile der Technologie heraus. Dazu zählen eine kürzere Baulänge des gesamten Motors durch Wegfall von Riemenantrieben für Aggregate, schneller Motorstart, Bremsenergierückgewinnung sowie das „Segeln“, das Fahren wie im ausgekuppelten Zustand.

Bei rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen liegt die Spannung bei 400 Volt und darüber. In diesen elektrischen Antrieben wie Elektromotoren und Generatoren von Fahrzeugen und Anlagen im Hochvoltbereich entstehen erheblich stärkere Wechselfelder als bei konventionellen Anlagen oder Kraftfahrzeugen, die nicht im Hochvoltbereich arbeiten. Bei den Leistungsstellern – auch Wechselrichter genannte Aggregate – mit denen die Leistung des Elektromotors gesteuert wird, kann es zu parasitären Streuströmen kommen, die elektrische Überschläge und Stromdurchgänge in Wälzlagern bewirken können. Die sich dabei ergebende Wärme kann zu Entladungskratern, punktuellen Verschweißungen, Schmelzmarken sowie zur Oxidation und zum Verbrennen des Schmierfetts führen, was das Lager beschädigen und langfristig zerstören wird. Der Schmierspalt in einem Wälzlager ist extrem dünn (5 bis 25 μm). Aufgrund der hohen Anzahl von Spannungsüberschlägen zwischen Laufbahn und Wälzkörpern treten hier langfristig Schäden auf. Um die Spannung vom Elektromotor und damit auch von den Wälzlagern des Antriebsstrangs abzuführen, kommen hier nach dem gegenwärtigen Stand der Technik Kohlebürsten zum Einsatz. Konstruktionsmäßig ist hierbei eine Verkapselung erforderlich, da die Kohlebürsten nur im trockenen Zustand funktionieren. Die Spaltmaße der Hauptwelle liegen bei 1 bis 2 mm. Treten hier Lagerschäden auf, ist schnell der ganze Elektromotor irreparabel beschädigt.

Stand der Technik bei den Wechselrichtern ist eine Taktfrequenz von 8 kHz. Durch Verwendung anderer Werkstoffe wird eine wesentlich höhere Taktfrequenz angestrebt, wobei zu erwarten ist, das sich die Problematik bezüglich der Stromüberschläge verschärfen wird.

Hybridfahrzeug. Mit kleineren Bauteildimensionen des Verbrenners kommen stärkere Belastungen auf die Kolbengruppe zu. Die Bedeutung von Gleitlacken nimmt hier zu. Je Aggregat wird der Einsatz von Getriebe und
Motoröl leicht abnehmen.