Über den Meeresgrund laufen zu wollen klingt wie eine abenteuerliche Idee. Das ist jedoch jeden Tag zweimal möglich. Herzlich willkommen im Wattenmeer an der deutschen Nordseeküste.
Das Wattenmeer erstreckt sich über eine Länge von 500 km entlang der Nordseeküste von Den Helder in den Niederlanden über Deutschland bis nach Skallingen in Dänemark. Die bis zu 40 km breite Landschaft ist den Gezeiten unterworfen und legt bei Niedrigwasser den Meeresgrund frei: das Watt. Zweimal täglich können Sie das größte Wattenmeer der Welt besuchen und erleben, wenn die Nordsee den Blick auf den Meeresgrund freigibt. Eintritt frei.
Im Takt der Gezeiten
Das Watt ist ein einzigartiger Lebensraum mit einer vielfältigen Landschaft. Aus der Luft betrachtet, zeichnen die Wasserläufe – kleine Priele wie auch große Wattströme – ein sich immer wieder veränderndes Bild. Weit vorm Festland im Watt stehend, erscheint es fast wie eine endlose Weite, wenn der Meeresgrund auf den Horizont trifft. Nichts als Stille. Kurz unterbrochen von den Rufen einer Möwe. Im Takt der Gezeiten, alle sechs Stunden und zwölf Minuten, wechseln sich Ebbe und Flut ab. Immer in Bewegung. Ein Kommen und Gehen. Die Nordsee, eben noch Lebensraum für Kegelrobben und Fische mit rauschenden Wellen, zieht sich zurück und gibt während der Ebbe den Meeresgrund frei. Ein einmaliges Erlebnis.
Das Wattenmeer in der Nordsee ist eines der letzten großen Gezeitenökosysteme. Die natürlichen Prozesse laufen seit über 7500 Jahren weitgehend ungestört ab. Jeder Wattbewohner trägt seinen Teil dazu bei, das weltweit einzigartige und hochsensible Ökosystem zu erhalten. Der Wattwurm ist hierfür sehr bedeutend, denn er gräbt das Watt um, belüftet es und filtert im Jahr um die 25 kg Sand. Die Kringel, die auf dem Meeresboden zu sehen sind, ist der vom Wattwurm gefilterte reine Sand. Kieselalgen sind ein Lebensmotor des Watts. Vier Hektar von ihnen produzieren so viel Sauerstoff wie ein Hektar Buchenwald.
»Meeresgrund trifft Horizont« (Zitat: www.nationalpark-wattenmeer.de)
Der Nationalpark Wattenmeer ist eine spannende Küstenlandschaft, die Lebensräume mit Sandbänken, Seegraswiesen, Schlickflächen oder Muschelbänken bietet. An der Küste wechseln sich blühende Salzwiesen mit Stränden und Dünen ab. Das Wattenmeer ist aber auch aufgrund der Vielseitigkeit der Landschaft die Kinderstube und Heimat für mehr als 10.000 Tier- und Pflanzenarten.
Dazu zählen die Big Five: die drei Säugetiere Seehund, Kegelrobbe und Schweinswal, der Seeadler als größter Vogel und der – vom Aussterben bedrohte – Stör als größter Fisch. Die typischen Vögel im Wattenmeer sind die Flying Five Silbermöwe, Austernfischer, Alpenstrandläufer, Brandgans und Ringelgans. Die Small Five – Wattwurm, Strandkrabbe, Herzmuschel, Wattschnecke und Nordseegarnele – sind in ihrer Art Überlebenskünstler und spielen fürs Watt, aber auch als Nahrungsquelle eine wichtige Rolle. Sie haben sich nicht nur dem Rhythmus von Ebbe und Flut angepasst, sondern auch an Salzwasser, Regenschauer, Frost und Hitze. Sie überleben aufgrund ihrer millionenfachen Population, obwohl sie vielen hungrigen Fressfeinden ausgesetzt sind, die täglich Tausende von ihnen fressen.
Das Watt ist ein Ort der Superlative: 1 m² beherbergt mehr Organismen als ein m² Regenwald. Auf 1 m² Watt leben bis zu 20.000 Wattschnecken mit einer Größe von 3 bis 6 mm. Mit seinem reichhaltigen Nahrungsangebot ist es ein Buffet für mehr als 10 Millionen Zugvögel, die auf ihrem Zug zwischen den arktischen Brutgebieten und den Winterquartieren im Süden im flachen Küstenfeuchtgebiet Rast machen. Somit ist das Wattenmeer auch eine der vogelreichsten Regionen in Europa.
Durch intakte Salz- und Seegraswiesen trägt das Wattenmeer zur verstärkten Kohlenstoffspeicherung und zum Küstenschutz bei. Ein wichtiger Beitrag für unser Klima. Das fragile Ökosystem Wattenmeer ist jedoch zunehmend gefährdenden Einflüssen ausgesetzt wie dem steigenden Meeresspiegel durch den Klimawandel, Plastikmüll, Ölverschmutzungen, Sturmfluten, Tourismus, Fischernetze, Schifffahrt, aber auch invasiven Arten, etwa durch Schiffe eingeschleppte Austern, die sich vermehren und keine natürlichen Fressfeinde haben.
Eine von acht Rettungsbaken im Watt vor Cuxhaven. Der geschlossene Stahlgitterkorb, ein faradayscher Käfig, der bei Gewitter als Blitzabschirmung dient, bietet in sicherer Höhe bis zu sechs Personen Schutz, wenn sie von der Flut überrascht wurden.
Schützenwertes Ökosystem
Ebbe und Flut, also Niedrig- und Hochwasser, werden durch den Mond beeinflusst. Durch die Rotation der Erde vergrößert und verkleinert sich die Anziehungskraft des Mondes und lässt dadurch immer wieder Ebbe und Flut entstehen. Ein faszinierendes und beeindruckendes Naturschauspiel zugleich.
Zu Gast bei Wattwurm und Co zu sein ist auch ein Ausflug, bei dem Vorsicht geboten ist, denn er birgt Gefahren wie Schlickfelder, in denen man schnell einsinken kann. Unerfahrene Wattwanderer, die sich zu weit hinauswagen, können sich aufgrund der Wasserläufe im Watt, der Priele, verirren. Bei Flut können die Priele schnell volllaufen und tiefe Wasserläufe verwandeln sich in starke Strömungen. Aber auch plötzlich auftretender Seenebel kann die Sicht auf wenige Meter beschränken und zu Orientierungsverlust führen
Diese einzigartige Küstenlandschaft wurde in die UNESCO- Liste des Welterbes der Menschheit aufgenommen, damit auch unsere Kinder noch wilde Meeresnatur erleben können.
Aufgrund seiner Biodiversität ist das Wattenmeer seit 2009 UNESCO-Weltnaturerbe und Nationalpark zum Schutz der Natur und seiner Ursprünglichkeit. Somit steht es auf einer Liste des Welterbes mit anderen weltberühmten Naturwundern wie dem Okavangodelta in Botswana oder dem Great Barrier Reef vor der Küste Australiens. Das Weltnaturerbe befindet sich jedoch durch die Gezeiten in ständigem Wandel. Wasser und Wind bewegen die Sedimente und formen so das Wattenmeer. Im nächsten Sommer sieht es daher wieder ganz anders aus. Der tiefe Priel hat sich vielleicht im Winter verschoben oder ist verschwunden. In der aufregenden Wattwelt ist immer viel los. Ein Besuch lohnt sich.
Mit diesem Bericht können wir Sie nur neugierig machen und Ihr Interesse für dieses schützenswerte Ökosystem wecken. Das Watt hat viele interessante Geschichten zu erzählen, z. B. über Algenteppiche, die bei Ebbe Sauerstoff produzieren, was die Gletscher mit dem Watt zu tun haben oder wofür die Herzmuschel ihren Grabfuß einsetzt. Lernen Sie die Geschichten vor Ort kennen, laufen Sie über den Meeresgrund und lassen Sie sich begeistern von den Erzählungen eines erfahrenen Wattführers
Als Wattenmeer (watend begehbares Meer) wird der weitläufige Küstenstreifen bezeichnet, der unter starkem Einfluss der Gezeiten steht. Es umfasst verschiedene Lebensräume wie Watt, Priele, Sandbänke, Salzwiesen und Dünen.
Das Watt ist der Meeresboden des Wattenmeers, der im Wechsel von Ebbe und Flut täglich zweimal vom Meer überspült wird und dann wieder trockenfällt. Es nimmt zwei Drittel des gesamten Wattenmeeres ein.